Donnerstag, 1. April 2010

Drei Einkaufstüten

Da sitzt du nun, mit deinen drei Einkaufstüten in der Hand.
Haupteigenschaft:dreissigjährige Unaufälligkeit mit schicker Frisur.
In deiner Nähe erwartet man Kernseife mit Edelparfüm
und wird nicht enttäuscht.
Das gereihte halbe Doppelhaus inklusive.
Dein letzter Mann hat es dir gnädig überlassen,
damit du versorgt bist.
Ein magenkranker Hohlkopf, der täglich das Evangelium verkünden
wollte und in seiner Firma doch nur das Telefonbuch durchbuchstabierte.
Er ist abgehauen.
Zum Durchbrennen war er zu sehr vierzig und lauwarm,
also blieb er einfach weg.
Trotzdem sehnst du dich wieder, nach einer dieser morschen Lebensgemeinschaften.
Viel zu pessimistisch, um an Freundschaften zu glauben.
Am Wochenende gehst du deshalb aus und stehst dann da, in deinen Stilettos, die geleckt werden wollen, aber an dir wie Hausschuhe aussehen. Rotlackierte Filzpantoffeln, mehr nicht.
Lässt dir Drinks ausgeben und beutelst deine Beute,
die um Audienz bettelt und nie wirklich dich meint.
Cool, wie die meisten urbanen Eisbomben in den Vergnügungstempeln.
Und wenn du dann doch mal irgendein Designerlaken durchwühlst,
festgekrallt in einen Fitnessarsch auf dem man Nüsse knacken könnte,
weisst du, daß es wieder nicht die drei Haselnüsse für Aschenbrödel sein werden.Hoffst nur, nicht auf der feuchten Seite des Lakens liegenzubleiben.
Liegenbleiben lohnt sich nie, denn beim ersten Sonnenstrahl zerfällt die Nähe zu Nichts.
Verkriechst dich ab und an in die absurde Virtualität und bloggst dein Leben.
Tagebücher, die aufgrund der Selbsterhaltung, nie besonders ehrlich sind und trotzdem beklatscht und bedauert werden.
Ansonsten interessiert dich Literatur wenig.
Du hast deinen eigenen Kopf, rufst du dann mit haarsträubender Borniertheit.
Hörst wie deine Freundinnen, den ganzen Tag Techno oder Ballermann-Fun-Tracks.
Lahmarschige Musik, mit schnellen Beats grell überschminkt und
wirst nie begreifen, daß Musik eigentlich nicht für Ohren gemacht wird.
Selbst Opa hat schon Marschlieder gebumst, warum also nicht.

Da sitzt du nun, mit deinen drei Einkaufstüten in der Hand,
denkst an deinen Geburtstag morgen und die Riesenparty und
schaust vom Küchentisch hinaus in den Garten.
Beobachtest die Meisen in der Hecke und dein Gesicht wird schmal.
Da ist auf einmal diese Ahnung.
Drei Einkaufstüten, für jedes gelebte Jahrzehnt eine.
Aus Plastik und angefüllt mit nutzlosen Sinnlosigkeiten.
Ein Leben als Shopping-Tour.
Du blickst auf die Einkaufstüten, denkst an das, was noch kommen mag und wirst zur Küchentisch-Kassandra und merkst, wie schwach wir doch sind.
Selbst für einen Blick in die vielgepriesene Sonne, brauchen wir geschwärztes Glas und heulen deshalb aus Bequemlichkeit lieber den Mond an.

Dann lässt du die Einkaufstüten los, stehst auf und gehst hinaus in den Garten.
Dir fällt zum ersten Mal auf, wie gesund Steine doch aussehen.
Und wie lebendig...

copyright by Der Koenig2010